NEONFLY "Strangers In Paradise" Review

Die englische Melodic Metal Szene scheint doch größer zu sein als ich ursprünglich angenommen hatte. Ich möchte keinem zu nahe treten, aber das Königreich ist nicht unbedingt für seine Bands bekannt, die den melodiösen Teil der Hartwurst-Szenerie abdecken. Wenn dann aber eine Band den Kopf aus der royalen Stahlsuppe reckt, bekommen wir meistens die volle Breitseite ab.

Keine Gnade also, denn Neonfly ziehen alle Register, um der Bezeichnung Melodic Metal Band gerecht zu werden. Die ausufernden Geschwindigkeiten ihrer Landsleute von DragonForce können und wollen die Londoner aber nicht erreichen. Vielmehr setzen Neonfly, die sich im Übrigen 2007 gründeten, auf Struktur und Abwechslung. Abwechslung daher, weil das Album von Hard Rock, Symphonic bis hin zum klassischen Melodic Metal alles abdeckt. Dabei reitet der Fünfer zu keinem Zeitpunkt auf irgend einem Trend herum. Es darf knallen, grooven und gern auch mal die balladeske´Grenze des guten Geschmacks erreichen. Orchester-Einlagen - gepaart mit fetten Powerchords - stehen genauso auf dem Programm wie der smarte Hard Rocker. Das Wichtigste bei einer Melodic- oder auch Power Metal Band aber  ist, dass die Ohren des geneigten Zuhörers zu keinem Zeitpunkt die Tonart "Schissmoll" geboten bekommen. Neonfly haben Gott sei Dank ihr Hausaufgaben mit Bravour erledigt und lassen derlei Töne nicht aus dem Sack.

In einigen Passagen fühle ich mich an Nightwish und auch Kamelot erinnert, wobei auch Anleihen der Marke Sonata Arctica auszumachen sind. Song Numero fünf vereint alle soeben genannten Tradenarks bzw. Einflüsse, dabei holt die Stimme von Willy Norton diesen Track locker heim ins Königreich, will heißen, sein Organ ist so eigen, dass es dem Titel "Heart Of Sun" eine sehr spezielle Note verleiht. (auch in der Einleitung des dritten Titels gut zu hören) So denn, Track 5 ist schon mal ein großartiger Song! Es folgt "Aztec Gold", ein furioses Instrumental-Gewitter, das nahtlos in Track 7 übergeht, neben Nr. 9 der wohl schnellste als auch härteste Song auf dem aktuellen Longplayer der königlichen Metaller. Dieser Track wirkt auf mich, als wenn Neonfly der Gemeinde zeigen wollen, dass sie könnten - wenn sie nur wollten, jedoch auf ein paar zarte Balladen nicht verzichten möchten und genau aus diesen Grund eben nur 'ne Kostprobe aus der V8-Ecke anbieten. Die Titel fünf bis sieben bilden das Epizentrum auf "Strangers In Paradise", einem Album, das sich durch eben diese Tracks in die 8 Punkte-Ecke schmuggelt. Selbstverständlich gibt es auch weitere gute Songs, diese zu entdecken, überlasse ich allerdings Euch.

Klang- bzw. soundtechnisch gibt's - bis auf den mit klinischen Effekten versehenen Gesang - nichts auszusetzen. Die Stimme von Mr. Norton tönt über weite Strecken als wenn sie in einem Acryl-Käfig aufgenommen - und lediglich mit einem Raum-Hall der Marke Labor versehen wurde. Besonders auf dem Opener kann man diesen - sagen wir mal: ungünstigen Umstand - extrem gut ausmachen. Eins noch: Macht's laut, diese Musik kommt wesentlich besser zur Geltung, wenn eure Lautsprecher die weiße Fahne rausholen müssen.

Wie dem auch sei, mir gefällt's und daher gibt's 8 Tal(k)er von 10. Übrigens, das ist ein historischer Moment auf metaltalks.de, da wir bis dato die Punktevergabe tunlichst vermieden haben. Offensichtlich scheinen Punkte die Herzen zu erfreuen und so haben wir uns durch mehrfaches Nachfragen schlussendlich ergeben. Also dann, hier sind sie: 8/10 Tal(k)er

 

Der Prior


VÖ: 28.11.2014 Label: Inner Wound Recordings