In Flames in Berlin als Headliner vor Papa Roach zu sehen, das ist schon eine gewöhnungsbedürftige Situation. Genauso wie uns, ging es offensichtlich auch Tony, der sich im Vorfeld der Tour Gedanken machte, ob die In Flames Fans Papa Roach überhaupt akzeptieren. Vor vielen Monden wären diese Bedenken auch gerechtfertigt gewesen. Jetzt allerdings, da In Flames nicht mehr weit vom Sound der Papa's entfernt sind und viele alte Fans den Schweden den Rücken kehrten - doppelt so viele dazukamen - sollte sich niemand sorgen müssen.
Hier nun das Interview, das wieder einmal länger würde als geplant. Here we go:
Sandra: Ihr seid der Support für IN FLAMES in Berlin, wie ist das für euch?
Tony: Es ist großartig! Wir habenn uns erst Sorgen gemacht, weil die Fans so sehr auf In Flames stehen. Ich hatte sogar total verrückte Emails gelesen [...] Ich meinte dann nur „Oh Mann! Sie werden uns definitiv nicht mögen“. Normalerweise mache ich das nicht, ich versuche nie dieses Zeug zu lesen, aber aus irgendeinem Grund habe ich das dieses Mal gemacht. Ich bin auf diese Tour gegangen und hatte erwartet, dass wir nicht soooo gut ankommen würden. Aber als wir den ersten Song in der ersten Nacht auf der Tour spielten, liebte es die Menge. Wir haben bisher drei Shows auf der Tour in Deutschland gespielt und die Leute waren bisher einfach großartig. Deswegen frage ich mich jetzt auch, warum ich das Zeug überhaupt damals gelesen hab.
Sandra: Ich hatte ein paar Bewertungen über das Konzert in Frankfurt gelesen, in denen viele Leute schrieben, dass ihr einer der besten Bands an dem Abend wart. Also solltest du vielleicht nächstes mal lieber die deutschen Webseiten checken. ;)
Tony: JA (lacht). Wir spielen im Prinzip ja jede Nacht. Jacoby fragt jedes Mal die Menge, wer uns zum ersten Mal sieht und normalerweise hebt ungefähr ein dreiviertel der Leute ihre Hände. Also spielen wir vor sehr vielen neuen Leuten, was wirklich großartig ist. Und dann auch noch in der Lage zu sein, sie anzuheizen und während einer Show zum Bewegen zu bringen, ist das beste Kompliment, dass man uns machen kann. Es ist ziemlich schrecklich, wenn du da oben stehst und die Leute keine Emotionen zeigen, so nach dem Motto: „Ich mag euch nicht“. (lacht) Dann muss man einfach nur weggucken. Aber es war bisher großartig.
Sandra: Ihr tourt, doch euer neues Album F.E.A.R. kommt erst Ende Januar heraus. Könnt ihr schon was verraten? Vielleicht auch etwas, das es besonders macht?
Tony: Allein, dass es unser 8. Studioalbum ist, macht es besonders. Eine Sache, über die wir sehr glücklich sind. Zu wissen, dass wir die Langlebigkeit haben, die sich viele Bands bloß wünschen können. Ich glaube, das Besondere an dem Album ist auch, dass es Hoffnung bringt. Das letzte Album „The Connection“ war zum Beispiel um einiges dunkler. Aber es gibt sehr viele positive Dinge, die der Band, Jacoby und seinem persönlichen Leben widerfahren sind. Ihm war es dieses Mal möglich, viel mehr positive Dinge auf dieser Scheibe einzufangen und er ist auch momentan einfach in einer anderen Geisteshaltung. Aber wie du sicherlich weißt, haben wir mit verschiedenen Produzenten gearbeitet, ein Vater und Sohn Team, Kevin und Kane Churko, die bekannt dafür sind, dass sie einen sehr schweren, aufdringlichen Ton fahren. Es macht uns wirklich viel Spaß mit ihnen zusammenzuarbeiten. Sie sind in den unterschiedlichsten Weisen sehr inspiriend, z.B. wie sie produzieren. Dann auch ihre Ideen für Songs und Lyrics und halt all so ne Sachen… es war einfach wirklich cool mit ihnen zu arbeiten. Sie haben dafür gesorgt, dass einem die besten Sachen für einen bestimmten Song einfallen. Wir sind super glücklich mit dem Ergebnis und wie das Album nun klingt.
Sandra: Ein wenig Hype um das neue Album wird ja schon gemacht, so gibt es z.B. beim Berliner Radiosender Star FM eine geheime Höraktion mit ausgewähltem Publikum – seid ihr gespannt, wie das neue Album ankommt oder macht ihr euch nach all den Jahren darüber keine Sorgen mehr?
Tony: Ich würde jetzt nicht von Sorgen machen sprechen, aber natürlich hat man immer noch ein bisschen Angst davor, was Leute darüber sagen werden. Man denkt immer, dass man bessere Songs geschrieben hat und deine Songentwürfe und Live-Shows besser werden und das ist wirklich alles, was wir uns erhoffen. Wir machen so ziemlich das, wonach uns gerade ist und was wir musikalisch so wollen. Da ist nie etwas Gezwungenes. Dementsprechend setzen wir aber auch viel aufs Spiel. Wenn man seine Seele auf einem Album ausschüttet und Leute darauf reagieren wie „Naja, das ist scheiße, wir wollen die alten Sachen wieder haben!“, ist das natürlich ein bisschen entmutigend. Ich finde es ist frisch, halt neues Papa Roach Material, und ein frischer neuer Sound. Wir haben trotzdem ähnliche Sachen benutzt, wie auf „The Connection“, sprich Elektronik und Synth und so. Aber wir sind natürlich trotzdem noch eine Rockband. Nimm das ganze Zeug weg und es ist immer noch Bass, Schlagzeug, Gitarre und Gesang.
Sandra: Euer erstes Album „Infest“ war in Verbindung mit „“Last Resort“ das erfolgreichste Album. Ihr hattet es danach wirklich nicht einfach. Wie habt ihr es geschafft über die Jahre so mutig weiterzumachen, obwohl ihr bis heute nicht an den Erfolg anknüpfen konntet?
Tony: An sowas anzuknüpfen ist immer unheimlich schwer, besonders in diesem Fall. Es war die erste CD, die die Band veröffentlichte und ist einfach eingeschlagen. Es war damals etwas sehr Neues. Plattenfirmen erwarten immer entweder an den Erfolg anzuknüpfen oder danach sogar größeren Erfolg zu haben. Ich glaube das ist einfach was die Gesellschaft verlangt. Wenn du ein Album veröffentlichst, schmeißt du es nach draußen und hoffst. Aber nach all den Jahren hat sich auch die gesamte Szene verändert. Viele Bands, die zur gleichen Zeit begannen, sind wieder verschwunden. Wir haben immer unsere eigene Integrität beibehalten und haben einfach Sachen gemacht, die uns gefallen.
Sandra: Du erwähntest, dass sich die Szene verändert hat. Findest du, dass sich auch die Fan Base von damals zu heute verändert hat?
Tony: Ja, wahrscheinlich. Seit ungefähr 2008 haben wir bemerkt, dass viel mehr ältere Leute zu unseren Shows kommen. Aber es ist immer noch eine gemischte Truppe. Wenn wir jüngere Leute in der ersten Reihe stehen sehen, denken wir uns oft, „Okay, wir sind noch immer cool!“ Weil wenn die jungen Kids da draußen unsere Musik genießen, ist das natürlich auch eine total neue Welle von Leuten, die man als Fans hat. Das bedeutet uns sehr viel, wenn du selbst ein Elternteil bist und dein Kind älter wird und egal was du als Elternteil machst, du einfach nicht mehr cool bist. Du kannst in einer Band spielen oder sowas und sie würden trotzdem sagen „Papa, du bist nicht cool!“ Du weißt schon, Kinder machen sowas durch. Aber wenn wir sie dann in der Menge sehen, denken wir uns „Okay, wir haben noch immer die Fähigkeit, alle Altersgruppen zu erreichen.“ Ich glaube das hat offensichtlich aber auch sehr viel mit dem lyrischen Inhalt zu tun. Leute können sich in ihrem Alltag damit identifizieren.
Sandra: Ich muss ehrlich gestehen, dass ich denke, dass eure Fans in den USA generell etwas jünger sind. Geht es dir da genauso?
Tony: In diesen Tagen ja.
Sandra: Ich habe für eine Weile in den USA gelebt und es selbst mitbekommen.
Tony: Ja, wie ich schon meinte, ist es momentan eine gute Mischung. Wir bemerken ehrlich gesagt, dass viele ältere Eltern uns an ihre Kinder heranführen. Es ist in einer Art genau umgekehrt. Anstatt das die Kinder Papa Roach im Haus spielen und die Eltern irgendwann daran gefallen finden, weil sie es so oft hören mussten, bringen die Eltern ihre Kinder dazu uns zu mögen. Es ist wirklich cool. Aber ich glaube, dass es hier auch so ist. Wir bemerken alte und junge Leute.
Sandra: Das klingt doch nach einem sehr schönen Bild. Wie behält man über all die Jahre die Motivation und den Ideenreichtum?
Tony: Das Meiste ist einfach ein innerer Druck, wir glauben noch immer, dass wir relevante und stichhaltige Musik machen, die Leuten gefällt, aber es ist natürlich auch so, dass wir uns selbst zufriedenstellen müssen. Und das ist natürlich eine Herausforderung, weil, wie jede andere Band, musst du zumindest mit etwas beginnen, dass du selbst liebst und hoffen, dass die Leute es mögen werden. Das ist gar nicht so einfach, wenn man in der Band vier Jungs hat, die alle einer Meinung sein müssen. Man muss sich auf so viele Dinge einigen und das ist meistens der härteste Teil. Es ist halt… nicht jeder ist immer glücklich. Ich glaube, niemand ist jemals nicht vollkommen glücklich mit den Songs, sagen wir jetzt mal beim Song schreiben, aber es gibt eigentlich immer Ideen, die du hinzufügen kannst nach dem Motto „Wie wäre es denn, wenn wir das so machen oder wie wäre es, wenn wir darüber sängen, anstatt hierüber.“ So glaube ich bekommt alles die perfekte Mischung und die angemessene Aufmerksamkeit, die es benötigt. Keiner von uns betritt jemals die Bühne und denkt sich „Och man, ich hasse diesen Song“. Also es gibt viel zu sagen, wenn es darum geht, dass vier Jungs sich auf Sachen einigen müssen, aber sobald wir ins Rollen kommen, kommt es einfach rausgeschossen. Es ist auch für uns sehr inspirierend. Es sind auch die Einflüsse um uns herum, wir können uns aber auch gegenseitig inspirieren. Es ist wirklich großartig.
Sandra: Du ersetztest in 2008 den ehemaligen Schlagzeuger Dave, der damals aufgrund seiner Drogenprobleme die Band verließ und euch später verklagte. Wie geht man mit dieser Situation persönlich um?
Dave: Naja, also ich als neuer Schlagzeuger (hält inne und lacht)… Also ehrlich gesagt war das Ganze nicht so, dass er die Band direkt verklagt und attackiert hat. Du musst eine Klage einreichen, um des Geschäftes-Willen. Um ausgezahlt zu werden und so weiter. Sie mussten sich einfach einigen und zu einem Einverständnis kommen, um den Vertrag zu beenden. Aber für mich persönlich war es anfangs sehr hart, in so eine Band einzusteigen, weil du immer erwartest, dass Leute nachhaken „Wo ist Dave hin?“. Ich hab das sehr viel zu hören bekommen, natürlich auch, weil er so lange in der Band war. Aber irgendwann dachte ich dann: „egal“ und habe versucht, dem nicht allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Und wir waren damals dann auch sehr beschäftigt. Wir spielten sehr viel live, nahmen neue Platten auf und heute passiert es bloß hin und wieder mal, dass jemand fragt „Wo ist Dave?“
Sandra: Was?! Niemals?! Im Ernst? Noch immer?
Dave: Naja, also sehr selten. Und wenn, dann von einem der Hardcore Fans. Aber mir ist das egal, ich habe eine viel zu geile Zeit. Einfach bloß live spielen zu dürfen, ist es wert. Jede Nacht, die wir spielen ist einfach… Ich will an gar nichts anderes mehr denken. Ich weiß mich so glücklich zu schätzen, dass ich derjenige bin, den sie ausgesucht haben.
Sandra: Meinst du, dass es ein Rezept für eine gute Zusammenarbeit innerhalb der Band gibt?
Tony: Ja, zuallererst muss du jedermanns Fähigkeiten zu schätzen und respektieren wissen und auch ihren Talenten vertrauen. Als ich das neue Album aufnahm, war ich mit dem Schlagzeug als letztes dran und es war kaum einer mit im Studio. Das ist schon irgendwie cool, aber auch ein bisschen merwürdig. Aber Jacoby meinte zu mir: „Ich vertraue dir vollkommen. Spiel einfach Schlagzeug, wie du es immer tust und es wird großartig.“ Und ich dachte mir nur so „Okay, cool“, also verstehst du? Das ist schon ein tolles Gefühl. Also wie gesagt, Vertrauen und ein Sinn für Respekt gegenüber den Anderen, ist ein Muss. Wir reden immer über alles, bevor es zu negativ wird oder aus den Fugen gerät. Wir haben sehr viel Respekt voreinander. Es kann auf lange Sicht sehr fatal für eine Band sein, wenn sie sich gegenseitig nicht respektieren und zu schätzen wissen. Ich habe das schon bei sehr vielen Bands gesehen, dass sie einfach nicht glücklich waren. Und man kann es sehen, denn sobald sie die Bühne betreten, haben sie einfach keinen Spaß, in dem was sie machen und wenn die Fans das dann mit ansehen müssen, ist das einfach nur traurig.
Sandra: Ja, definitiv, das glaube ich auch. Es gibt immer ähnliche Bands, wie Limp Bizkit, Korn, auch Stone Sour, wie schafft man es da, sich durchzusetzen und von den anderen abzuheben?
Tony: Ich glaube, eines der Dinge ist seine ganze Existenz musikalisch zu rekreieren. Wir lassen unsere Platten nicht alle gleich klingen, wir versuchen immer in verschiedene Richtungen zu pushen. Ich will jetzt nicht sagen, dass diese Bands das nicht machen, aber ich glaube, dass es bei uns funktioniert, einfach in verschiedene Richtungen zu gehen und zum elektronischen Aspekt zurückzukehren. So passierte es bei „The Connection“, wir mischten sehr viel mehr Elektro mit rein, im Vergleich zu den vorigen Alben. Die Wahl des Produzenten hilft auch. Mit Leuten zu arbeiten, die es schaffen, andere Seiten deines Songwritings herauszubringen. Das war ein großer Teil für uns. Wir mögen es auch kreativ zu bleiben und wie ich schon meinte, nie das Gleiche zu schreiben…. naja, HOFFENTLICH nie das Gleiche schreiben.
Sandra: In Bezug auf meine letzte Frage: Ist Amerika ein härteres Pflaster diesbezüglich als evtl. andere Länder, weil es dort so viele ähnlich gute Bands gibt?
Tony: Ja, also es ist überall hart, aber es gibt so viele Bands in den USA, da musst du's einfach in dir haben. Aus Erfahrung heraus kann ich sagen, dass, als ich ein Kind war, machte ich einfach nur die Musik an und es zog mich quasi zum Schlagzeug. Also wusste ich einfach, dass es das ist, was ich wirklich machen wollte. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dieses Verlangen und diese Leidenschaft zu haben und es nicht zum Beruf machen zu können [...] Ich schätze ich bin leicht abgedriftet. Ja, ich meine es gibt so viele Bands, aber es gibt heutzutage auch so viele Wege gehört zu werden, also viele Wege, Musik herauszubringen. Wenn du dann herausstichst und die richtige Einstellung, den richtigen Sound und die richtige Message hast, dann wird die Band sich auch durchsetzen.
Sandra: Okay, nun zu meiner letzten Frage: Was ist dein absolutes Lieblingslied von Papa Roach?
Tony: Ooooh wow, mein absolutes Lieblingslied von Papa Roach…
Sandra: Vielleicht eins aus der Vergangenheit und eins vom kommenden Album?
Tony: Hm, das ist wirklich eine schwere Frage. Ich glaube „Last Resort“, obwohl ich damals nicht auf dem Album mit drauf war. Wir spielen es jede Nacht und es ist einfach ein Lied, das, egal wo wir es spielen, jeder einfach kennt. Es ist eine Art Nervenkitzel, es zu spielen. Jeder singt mit und das ist einfach nur cool. Aber ein neuer Song des neuen Albums… also wir werden „Face Everything and Rise“ als unsere erste Single rausbringen. Ich finde das Lied hat einfach Lebensgefühl und ich mag das Schlagzeug in dem Lied, also macht es mir viel Spaß es zu spielen. Also es wird mir Spaß machen zu spielen. Hoffentlich werden wir es bald spielen. Aber ja „Face Everything and Rise“ des neuen Albums.
Sandra: Nur weil du es gerade erwähnst, spielt ihr es dann auch bald live?
Tony: Die Single wird am 4. November rauskommen, wenn wir in Helsinki sind. Also werden wir es auch live in der Nacht dort spielen. Wir wollten es vorher nicht live spielen, damit die Leute es nicht schon über Handy Videos sehen bzw. hören können. Wir versuchen wirklich geduldig zu sein, weil wir es eigentlich unbedingt spielen wollen. Aber wir warten noch ab. Wir wollen eben allesrichtig machen. Alles wird zur gleichen Zeit rauskommen: Single, das Video, die Tourpläne für nächstes Jahr und dann werden wir es auch endlich live spielen, also heben wir es uns bis dahin auf.
Sandra: Okay, vielen lieben Dank. Wir wünschen dir alles Gute für die Zukunft und natürlich besonders für das neue Album!