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Gamma Ray - Interview - mit Dirk Schlächter im Berliner Columbia Theater


Gamma Ray befinden sich zu diesem Zeitpunkt irgendwo in Spanien, nämlich auf dem Weg zu ihrem nächsten Gig. Übermorgen werden sie in Madrid sein und Mitte Dezember dann in Schweden. Das letzte Konzert ihrer Best Of The Best Party Tour 2015 werden die Hamburger Frohnaturen in Stockholm vom Zaune brechen. Im Rahmen eben dieser besagten Tour schauten Gamma Ray glücklicherweise auch in Berlin vorbei, so dass wir direkt Kurs auf das Columbia Theater am Berliner Flughafen Tempelhof nehmen konnten.

Unser Interview mit den Jungs fand nämlich genau dort statt. Unser Jan sprach damals mit Michael Ehré im Hamburger Docks, während ihrer Tour für das gerade erst erschienene Album  "Empire Of The Undead". Allein der Blick auf die Zugriffszahlen dieses Interviews löste ganz automatisch das Verlangen in uns aus, den sympathischen Hamburgern erneut auf den Zahn zu fühlen, denn offensichtlich scheinen nicht nur wir sehr viel Interesse an Gamma Ray zu haben, wenn dieses Interview so oft gelesen wurde.

Straßenkampf auf der Berliner Stadtautobahn, Stau, Blechlawinen - es ist die reinste Katastrophe. Das gerade erst umgebaute Columbia Theater (ehem. C-Club) war noch nicht einmal ansatzweise in Sichtweite, als der große Zeiger dem ausgemachten Interview-Termin zu Leibe rückte. Boah, gerade noch pünktlich! Dank unserem Jan, der sich mit seinem Karren so dermaßen unmöglich in zwei Parklücken stellte, dass er sich normalerweise in den Zoo begeben müsste, um sich eigenhändig den Löwen zum Fraß vorzuwerfen, fand ich trotz des parallel stattfindenden Madsen-Konzerts in der benachbarten Columbiahalle einen kostbaren Parkplatz. Ein Anruf beim Tour-Manager sorgte für Entwarnung, denn Meister Schlächter saß noch immer beim ersten Interview mit unseren Berliner Kollegen.

Fast eine Stunde später kletterten wir durch die Katakomben des Clubs, der uns direkt vor dem Tour-Bus ausspuckte. Letzte Instruktionen seitens des Tour-Managers: Keine persönlichen Fragen und erst recht keine Fragen zur Musik!!! Totenstille im Tour-Bus, Dirk und der TM schauten mit versteinerter Mine ob meiner Reaktion, nur um wenig später - vor Freude über den Sieg - lauthals loszulachen. Okay Jungs, 1:0 für Euch.

metatalks.de: Dirk, ihr wart gestern in Hamburg - wie lief's für Euch?

Dirk Schlächter: Oh, die Markthalle war gut gefüllt oder besser gesagt, sie war voll. Ein Heimspiel - 'ne richtig geile Party.

metaltalks.de: Ihr habt erst kürzlich Euren neuen Sänger angekündigt. Haben die Fans in Hamburg das gut verkraftet?

Dirk Schlächter: Ja klar, den Frank haben sie ebenfalls gut aufgenommen. Das war für einige vielleicht eine spontane Neuigkeit oder ein auch ein Schock, aber es lief wirklich super. (Frank Beck wird Kai in Zukunft auf dem Live-Sektor unterstützen,  dessen Stimme ein vollständiges Konzert nicht mehr durchhält. Anm. Red.)

metaltalks.de: Wann habt ihr diese Entscheidung getroffen?

Dirk Schlächter: Im Prinzip mussten wir schon auf der letzten Tour handeln. Kai war gesundheitlich sehr angeschlagen. Inzwischen wissen wir, dass er keine ganze Tour mehr schaffen kann. Nach einem Gig braucht er eigentlich ein paar Tage frei, um sich zu regenerieren. Für eine Studioaufnahme mag das funktionieren, aber live eben nicht. Wir haben das bewusst nach unserer Südamerika Tour wahrgenommen. Nach 7 Shows war der Ofen aus und er war immer noch aus, als wir für die aktuelle Tour mit dem Proben anfingen. Wir konnten diese Tour also auf gar keinen Fall so spielen, also haben wir die Katze aus dem Sack gelassen, was wir eigentlich erst mit dem nächsten Album tun wollten.

metaltalks.de: Wird Kai Hansen gänzlich mit dem Singen aufhören?

Dirk Schlächter: Nein, definitiv nicht. Er hat eine so markante Stimme, dass viele der entstandenen Songs bzw. Passagen  nur von ihm wiedergegeben werden können. Ein anderer Sänger kann sie zwar interpretieren, doch wirklich so singen wie Kai, das wird ihm einfach nicht gelingen. Kai wird genau diese Songs weiterhin live performen. Die Zusammenarbeit mit Frank hat aber auch viele Vorteile gebracht, da wir jetzt auf der Bühne in der Lage sind, einige Chorelemente 3stimmig zu bringen, ohne Samples abrufen zu müssen. Insgesamt ist es live auch eine bessere Party geworden. Gestern, in Hamburg hat das echt super funktioniert.

metaltalks.de: Klingt gut - wir werden es ja nachher erleben. Habt ihr schon Bammel, immerhin seid ihr in Berlin und der gemeine Berliner bewegt sich in der Regel nicht so gern?

Dirk Schlächter: Boah, nein - ich denke nicht. Ich weiß, was Du damit meinst, aber das bekommen wir schon hin.

metaltalks.de: Ihr tourt mit Dragony und Serious Black. Habt ihr im Allgemeinen Einfluss darauf, wer mit Euch gemeinsam die Tour bestreitet?

Dirk Schlächter: Sagen wir so, wir haben auf jeden Fall das letzte Wort. Wir können schon sagen: "Nö, mit der Band wollen wir nicht" Ansonsten spielen sehr viel Faktoren eine Rolle. Natürlich auch wirtschaftliche, die letztlich zur Entscheidung führen. Was und warum entschieden wird, das mag man gar nicht laut sagen. Letztlich muss aber auch die Musik passen, sonst funktioniert das gar nicht.

metaltalks.de: Ihr habt in diesem Jahr Eure Anniversary Editionen via earMusic veröffentlich. Habt ihr schon Rückmeldung von Fans oder auch vom Label, wie diese Veröffentlichungen angekommen sind?

Dirk Schlächter: Nein, ich habe da noch nichts gehört, allerdings habe ich mich da auch noch nicht so direkt drum gekümmert. Vielleicht konnte man auf Facebook etwas darüber lesen, doch auf dieser Plattform bin ich lediglich aller 3 Monate. Kai und Michael sind da eher unterwegs. Ich kümmere mich bei Gamma Ray um andere Dinge, die mehr im Hintergrund laufen. Mit dem Facebook-Scheiß fange ich gar nicht erst an. Das mag vielleicht auch Spaß machen, doch für mich ist das nichts. (Du sprichst uns aus der Seele. Anm. Red.)

metaltalks.de: Während der Sichtung des alten Materials für die Anniversary Editionen wurden bestimmt viele Erinnerungen bei Euch (Dir) geweckt. Gibt es eine Epoche oder ein Album, mit dem Du etwas Besonderes verbindest? (Die folgende Antwort fällt recht üppig aus, daher haben wir die Gedanken von Dirk bewusst nicht unterbrochen. Irgendwie hatten wir das Gefühl, die letzten Jahre laufen noch einmal wie ein Film in ihm ab. Dirk antwortete sehr ruhig und bedacht, während wir für 10 Minuten einfach nur zuhörten. Erst die rüden Geräusche des Tourbus-Kompressors unterbrachen das Hörbuchfeeling.

Dirk Schlächter: Oh, da gibt es Vieles. Wir sind mit jedem Album gewachsen und als ich bei Gamma Ray einstieg, spielte ich ja zunächst Gitarre. Ich habe damals sozusagen wieder mit dem Gitarrenspiel angefangen. Die erste Tour war sehr aufregend für mich. Ich sollte logischerweise erst Bass spielen, musste mir dann aber die Gitarre schnappen und mir das ganze Zeug draufschaffen. Ich war erst mal nur damit beschäftigt, keine Scheiße zu spielen. Für mich war das ein riesen Ding, denn eine Tour in diesem großen Format war damals neu für mich. Auf der für mich zweiten Tour konnte ich das dann alles genießen. Später sind wir ins Studio, um "Insanity And Genius" (1993) erstmalig im eigenen Studio aufzunehmen. Daran erinnere ich mich ebenfalls sehr gern. Wir hatten 'ne echt tolle Zeit im Studio, alle Möglichkeiten der Welt und konnten uns so richtig ausspinnen. So hat jede Phase im Prinzip ihre schönen Seiten. Mit "Land Of The Free" kam 2 Jahre später das Album, auf dem Kai erstmalig wieder sang. Das war schon prägnant und machte allein wegen dieser Sache, die damalige Zeit sehr interessant - ein erneute Aufbruchsstimmung quasi - ein Meilenstein für Gamma Ray. (kurz nachdenklich) Dann kam aber die Hochzeit in Sachen Bandarbeit und Kreativität mit der Besetzung Zimmermann und Richter - ein schöne Phase, die Alben wie "Somewhere Out In Space", "Power Plant" & "No World Order" hervorbrachte - geballte Werke.


Discography - weitere Bands


 


metaltalks.de: Zu "Majestic"-Zeiten wurde es dann aber etwas ruhiger, oder?

Dirk Schlächter: Ja, das kann man so sagen. Damals (2005) lief es bandtechnisch nicht so optimal. Wir waren irgendwie verkrampft, vielleicht, weil es im privaten Bereich auch Unregelmäßigkeiten gab. Doch die Platte hat eigentlich geniale Songs dabei. (Dirk fügt hier z.B. den Song "Blood Religion" an.) Etwas verfrickelt, möglicherweise ein Spiegelbild  der privaten Seite. Auch die Tour lief damals nicht so optimal, aber mit "Land Of The Free II" haben wir uns dann wiedergefunden. 2010 kam dann "To The Metal" - ebenfalls nicht schlecht. 2012 ist Daniel Zimmermann dann raus. Das war natürlich ein Wechsel von dieser energetischen vierköpfigen Kiste. Mit Empire sind wir jetzt aber wieder richtig da und nach dem 3. Jahr auf Tour müssen wir in 2016 endlich wieder kreativ sein. 2017 kommen wir dann wieder!!! (Klingt nach einem ruhigen 2016er Gamma Ray Jahr und nach einem neuen Album in 2017)

metaltalks.de: Ok, dann werdet ihr 2016 Kraft sammeln und Euch vermutlich mehr auf privater Seite engagieren?

Dirk Schlächter: Genau, ich bin nach Mexiko gezogen und konnte mich nach dem Umzug dort noch gar nicht so richtig umsehen. Alles mittendrinn und sofort wieder auf Tour. Ich freue mich schon auf meine Komponier-Ecke und nehme mir die Freiheit und die Zeit kreativ zu sein. Irgendwann werden wir uns dann wieder treffen und 2017 auch wieder auf der Bühne stehen, obwohl - ein paar Termine (70000 Tons.., Full Metal Mountain) haben wir für 2016 schon. Wir haben keinen genauen Zeitplan für 2017 und werden einfach machen.

metaltalks.de: Dirk, gibt es manchmal Momente auf einer Tour, in denen Du lieber zur Gitarre greifen würdest?

Dirk Schlächter: Nee, auf Tour nicht, aber ich spiele viel zu Hause Akustik- und Klassische Gitarre. Im Studio macht mir das auch hin und wieder Spaß. Es gibt auch bei Gamma Ray immer wieder Songs, wo ich sage: "Aaach, hier ist der Bass aber langweilig". (lacht laut los) Klar, der Bass kann hin und wieder sehr einfach sein, aber um ihn wirklich richtig gei zu spielen, bedarf es schon eines gewissen Anspruchs. Ich habe ja nicht umsonst wieder zum Bass gewechselt. Mir hat etwas gefehlt. (sehr betonend) Der Bass ist mein Herzinstrument, auch wenn mir die Zeit als Gitarrist - gerade auf der Bühne - wirklich Spaß gemacht hat. Mir hat der Bass echt gefehlt. Vielleicht hätte ich nicht den Fehler machen sollen, Keyboards live zu spielen, damit wir nicht einen zusätzlichen Mann mit auf Tour mitnehmen müssen. Ich war wie eine Maschine und wechselte zwischen Gitarre, Boards und Mikro. Irgendwann musste ich mich wieder erden. Dass ich wieder Bass spielen wollte, wurde mir klar, als ich ein altes Video von uns sah. Nee, der Bass ist mir schon ganz lieb.

metaltalks.de: Wenn Du Musik schreibst, komponierst Du dann eher songdienlich oder gehst Du lieber mit dem Bass ans Limit?

Dirk Schlächter: Mit dem Bass komponiere ich fast gar nicht, mehr mit Gitarre oder den Keys. Es ist wirklich selten, dass der 4-Saiter für das Komponieren zum Einsatz kommt.

metaltalks.de: Schreibst Du aus dem Bauch heraus oder funktioniert das auch über Noten?

Dirk Schlächter: Nein, über Noten komponiere ich nicht. Das letzte Mal habe ich Noten auf der Musikhochschule in Hamburg - wo ich im Übrigen Kai kennenlernte - gebraucht. Eigentlich müsste ich das wieder mal auffrischen. Direkt vom Blatt auf das Instrument übertragen würde momentan nicht funktionieren, aber wenn Du mir zeit gibst, würde ich mir das wieder erarbeiten können.

metaltalks.de: Gibt's 'nen Bassisten, vor dem Du den Hut ziehst?

Dirk Schlächter's  Antwortet kam wie aus der Pistole geschossen : Ja klar, Stanley Clarke. Ein geiler Bassist. Selbst wenn er als Jazzer gilt und technisch sehr versiert ist, finde ich in erster Linie die Art seines Bass-Spiels großartig. Wie er es spielt und wie er das Instrument an sich sieht, ist faszinierend. Viele, die technisch großartig oder schnell sind, haben nicht unbedingt das, was einen Stanley Clarke ausmacht. Er ist einfach mein Lieblingsbassist.

metaltalks.de: Wir nähern uns unserer Lieblingsfrage. Was läuft in Deinem Player?

Dirk Schlächter: Pfhhh'''''! (nachdenklich) metaltalks.de: Ja komm, sag's uns, was läuft in Deinem Player? Welche Art der Musik hörst Du? Dirk Schlächter: Ich höre eher wenig Musik, gerade wenn wir auf Tour sind oder waren. In der Mucki-Bude läuft manchmal Machine Head, ansonsten ist das bei mir stimmungsabhängig. Ich kann an jeder Musikrichtung etwas Geiles finden - aber wirklich an jeder, daher lege ich mich nicht fest und höre alles rauf und runter, sofern ich Zeit dafür habe. Wenn du den Metal wirklich geil spielen möchtest, dann musst du dich zwangsläufig auch mit anderen Stilen auseinander setzen. Ich bin nicht der Musiker, der sagt: "Boah, nur Metal ey und sonst nix" Finde ich fast schon ein wenig armselig. Rush, alte ZZ Top-Sachen, Flamenco - es darf alles sein. Flamenco finde ich sehr geil, das färbt manchmal bestimmt auch ab. Johny Cash, ich habe während einer Tour 3 Tage lang Johny Cash gehört. Die anderen haben mich schon für verrückt erklärt. Ich kann einfach keine ganze Metal-Scheibe komplett durchhören, weil ich ja eben selbst die Musik spiele. Damit lebe ich diese Seite komplett aus. Ich brauch da unbedingt einen Ausgleich.

metaltalks.de: ...und genau das wirst Du ja auch gleich tun. Wir freuen uns schon auf die Show und wünschen Dir mit Gamma Ray noch eine wunderbare Tour. Danke für dieses Interview, Dirk.

Dirk Schlächter: Ich danke Euch!




Interview: Dirk Eckart / Berlin - Columbia Theater - 31.10.2015

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