Das ist aber ein mächtig toxischer Prog-Aufguss. Nichts für ausgeglichene Gemüter und harmonieliebende Individuen.
Schon während der ersten Verkostung des gegen den Strich gebürsteten Liedguts bekomme ich latente Herzschmerzen. Unvorhersehbare Rhythmus-Löcher zieren mit einer gewaltigen Dominanz die Kompositionen der im Jahre 2001 gegründeten Noten-Verdreher aus Norwegen. Kein Ton gleicht scheinbar dem anderen, nichts darf sich mehrfach wiederholen, wenn ja, muss es innerhalb eines Taktes mindestens eine Verschiebung der Betonung auf 'nen Off-Beat geben, sonst fühlen sich die Herrschaften offenbar nicht wohl. Das Ganze klingt dann wie ein kränkelnder Motor, der kurz vor dem Anspringen durch Fehlzündungen aus dem Takt gerät, um nach ewigem Rumgenuddel im entscheidenden Augenblick doch die Arbeit aufzunehmen. Wenn das Machinchen erst einmal läuft, kommt auch Miss Harmonie zu Besuch, um dem Teufelswerk des Vierers beizuwohnen, nämlich der akustische Eloquenz des Prog Metals schlecht hin.
Leprous wandeln zwischen Wahnsinn, Genialität und immer wiederkehrender Unerträglichkeit, oder fehlt mir einfach nur das Verständnis dafür, das einschätzen zu können, was mein natürliches Verlangen nach harmonischen Klängen kategorisch ablehnt? Experimenteller und extravaganter geht es kaum, selbst die Bezeichnung Prog Metal rückt in weite Ferne. Lediglich saubergeputzte Stakkato Breakdown-Riffs erinnern an den Sound ihrer Genrekollegen von Threshold und damit an Prog Metal. Vokalakrobat und Unheils-Verkünder Einar Solberg setzt dem toxischen Prog-Sud letzlich die Krone auf. Mit krankhaft klagendem Gesang, der mitunter an HIM oder auch Live Of Agony erinnert, bringt er den Hörer locker zur Einsicht, der eigenen Einweisung in die nächste Irrenanstalt zuzustimmen, natürlich in Embryonalstellung.
Bevor ich gänzlich dem Wahnsinn anheim falle, schließe ich hiermit das Review ab und spreche allen, die es kompliziert mögen, meine uneingeschränkte Empfehlung aus. Wer klare Linien bevorzugt und auch sonst gern im Sonnenlicht spazieren geht, dem sei gesagt: Lauf! Lauf, bevor Du das Schöne in der Musik von Leprous entdeckst, das in der Tat vorhanden ist. Anspieltipps: "Riwind" und danach legt Euch gleich "The Flood" auf die Radartüten. "The Congregation" ist eine gefährlich gute - wenn auch kranke - Reise ins seltsam anmutende Land der Prog Congregation (Gemeinde).
Dirk
8/10 Talkern
VÖ: 25.5.2015 Label: InsideOut Music
Achtung, Achtung! Mit dem neuen Longplayer "Retribution" der Neo-Thrash-Metal-Granate Ektomorf könnt ihr eurem Nachbarn gepflegt die Familienporträts von der Wand fegen. Auch nach dem starken "Black Flag" Silberling lassen sich die Ungarn nicht lumpen und machen da weiter, wo sie 1993 einst angefangen haben. Schon der Opener "You can't control me" führt unweigerlich dazu, die Fenster aufzureißen und dem wilden Pöbel die Message ins Gesicht zu schreien.
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